Augenblicke aus der Nabelperspektive

Von den guten alten Zeiten

Nein, nicht die Zeiten, von denen uns etwa Grossmutter und Grossvater erzählt hatten, dabei auch meist ins Schwärmen kamen um uns zu erklären, wie so manches besser, einfacher und viel schöner gewesen sei -- als sie noch jung gewesen seien. Und dies, nicht ohne dabei den Mahnfinger erhoben zu haben.
Um uns zu mahnen -- an die Zeiten, in denen es so manches noch nicht gegeben habe, was Heute bereits eine Selbstverständlichkeit sei. -- Wie sie noch hätten arbeiten müssen, zusammen rücken und sparsam sein; um zu leben.
Da habe es all das noch nicht gegeben. Und doch -- Die Menschen seien viel glücklicher gewesen.

Nein, nicht von diesen alten Zeiten träume ich.
Bin gar nicht sicher, ob die Menschen damals auch wirklich glücklicher gewesen sind, oder auch nur einwenig glücklicher, als wir dies Heute sind.
Ich weiss es nicht. Ich kenne sie nicht, diese guten alten Zeiten, von denen man uns immer noch mit gestrecktem Mahnfinger erzählen will.
Ich kann sie nicht finden, die Erinnerung in mir, an diese guten alten Zeiten.
Jedoch -- den Zweifel, ob es sie auch wirklich gegeben habe, so wunderschön, friedlich und zufrieden, wenn man uns Heute immer noch mit gestreckten Mahnfinger davon erzählen will.

Eine Zeit mit wenig Freiheit, kann doch gar nicht gut gewesen sein.
So denke ich.
Und doch -- Auch ich träume von einer guten alten Zeit und sehne mich oft danach, sie möge bald wieder kommen.
Noch habe ich sie in mir, die Erinnerung an diese Zeit -- ganz tief in mir schlummernd.
An eine Zeit, die manches Jahrhundert zurück liegt, von der wir keine Schriftdokumente haben, da es die Schrift noch nicht gegeben hatte.
Damals erzählten sich die Menschen, was sie einander sagen wollten, und lernten von den Menschen die wussten, das was sie noch nicht wussten.
Von einer Zeit in der Menschen zusammen lebten, lange bevor unsere Zeitrechnung begonnen hatte. In der die Menschen wie Brüder und Schwester zusammen lebten, sich liebten, weil sie sich achteten, da jeder Mensch mit seiner Würde bereits geboren wurde, und nicht ein Lebenlang um diese kämpfen musste.

Ja, von der Zeit träume ich. Wo es noch keine entfremdeten Regierungen gab, weil alle Menschen noch Menschen waren; zu sich selber und zu ihren Schwestern und Brüdern Sorge trugen, und auch zur Natur. Sie brauchten und liebten einander, um als Mensch leben zu können. -- Von einer Zeit täume ich, in der die Menschen noch Mensch sein durften -- In der kein einziger Mensch einsam und verlassen war -- Nicht leiden musste, weil er keine Menschen zum lieben hatte, daher nicht wusste, was er mit seiner Liebe zu den Menschen anfangen könnte, und sie deshalb in seinem Herzen einfrieren musste.

Von der Zeit träume ich, und komme dabei meist einwenig ins Schwärmen, wenn ich meinen Phantasien freien Lauf lasse und mir vorstelle: Wie wir Menschen zusammen leben könnten, würden wir es endlich wieder wagen Mensch zu sein.
Denn ich weiss, dass lieben menschlich.
Tagtäglich sehe ich ja Menschen, die in dieser Welt herum irren, um endlich zu finden, einen Menschen zum Lieben.
Vielleicht -- Nur für einen kurzen Moment; nur für den Moment, wo sie sich mit ihren unruhigen und schreienden Seelen nach Liebe getroffen haben.
Und doch -- Auch immer wieder mit einer ganz leisen und schüchternen Hoffnung, dieser Mensch werde sie niemehr verlassen.
Besitzen will Heute der Mensch und vergisst dabei das Teilen. -- Immer mehr will er besitzen, weil er so wenig hat.

Wie wunderbar wäre es, wir Menschen würden einander wieder achten, weil wir wüsten, jeder Mensch hat seine Würde, seine Schönheit und seine Liebe.
Massen von Menschen gibt es an jedem Ort. Und doch -- Sie schenken einander nicht, was sie besitzen, und können deshalb auch nicht bekommen, was jeder Mensch braucht.
Würden wir Menschen wieder lernen uns zu halten und nicht zu behalten -- Uns zu lieben und nicht zu besitzen. -- Ja, dann -- würde unsere Liebe uns wieder regieren und nicht eine entfremdete Staatspolitik mit Menschen die handeln und bestimmen, Verantwortung haben, was sie nicht verantworten können, weil der Bezug zum Mensch ihnen entgangen ist.

Es gebe keine einsamen Alten mehr, eingeschlossen in ihren Altersgettos.
Keine schreiende Jugend mehr, ob den Wunden, die man ihnen geschlagen hat, weil ihnen keine Wunde mehr geschlagen würde -- Auch keine Generationenprobleme mehr.
Keine Mütter-und Kindergettos auf unseren Spielplätzen und in fast jeder Familie.
Es gebe keine Randgruppen mehr.
Keine Eheschliessungen und auch keine Scheidungen mehr, weil es endlich wieder Menschen gebe, die annehmen könnten, dass sie Menschen sind und lieben müssen, um als Mensch leben zu können.
Nicht nur den oder jenen, vorgeschrieben von der Gesellschaftsmoral, die den Menschen ihr Recht nehmen muss, Mensch zu sein. Weil sie, die nicht mehr Mensch sein wollen, Angst haben, was dann geschehen könnte. -- Würde es eines Tages keine organisierten Gettos mehr brauchen -- Keine Sozialarbeiter, Psychologen und Psychiater -- Keine Gerichte mehr, die Recht sprechen müssten, weil die Menschen sich wieder lieben würden; ohne Grenzen und Schranken, aber auch ohne Geschäfte, Handel und Profit, weil die Liebe besiegt hat, Besitztum und Macht -- gestürmt hat unsere Regierung und jetzt wieder regieren kann, da sie uns geholfen hat, endlich wieder Mensch zu sein.

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