Augenblicke aus der Nabelperspektive

Gedankenreise

Ich könnte sagen : " Wenn die grosse Unlust über Dich kommt, Du also von der Lustlosigkeit wieder einmal geschnappt wurdest, dann mache ganz einfach nichts. " So einfach könnte ich dies wohl sagen, mit Wahrheit aber hätte dies nichts zu tun, denn, so einfach ist dies nicht. Nur die Sprache ist etwa dazu fähig, eine so komplexe Situation zu versimpeln und uns Menschen zu täuschen, so, als hätte sie eine Wahrheit gefunden; eine Wahrheit die es gar nicht gibt, die uns also nur mit Hilfe der Sprache vorgegaukelt werden kann. -- Ich zum Beispiel kenne die Momente sehr gut, in denen mich die totale Lustlosigkeit wieder einmal geschnappt hat und denke dann auch meist: dies ist ganz einfach, dann tue ich eben nichts, denn dies kann ich mir ja leisten. Und schon beginne ich mit meinen Gedanken verrückt zu spielen, da ich auch zum Nichtstun absolut keine Lust habe. Gerade dies würde ich sehr schlecht aushalten und ertragen. So steigen in mir dann bereits die ersten Zweifel auf, ob mich wohl gar nicht die Lustlosigkeit, sondern ganz im Gegenteil, die Lust wieder einmal gepackt habe; die Lust, irgend etwas zu tun. Dort angekommen, überlege ich mir, was ich alles tun könnte, obschon ich genau weiss, aus den bis anhin gemachten Erfahrungen, dass diese Reise durch all die Möglichkeiten meines Tuns, für absolut gar nichts ist. Ich aber tue dies trotzdem, genau so, wie ich dies jedesmal tue, wenn ich von der absoluten Lustlosigkeit geschnappt werde, nun aber doch nicht mehr ganz so sicher, ob es wirklich die Lustlosigkeit, oder vielleicht doch eher die Lust ist, die mich wieder einmal festhält. Dies Reise mache ich, um mir danach endlich zu bestätigen, dass es wirklich wahr ist, dass ich heute zu absolut nichts Lust habe; zumindest zu nichts, was in den Möglichkeiten meines Tuns liegen würde. Ich könnte jetzt also malen, schreiben, spazieren, stricken, die Wohnung sauber machen, mit dem Zug irgendwo hinfahren, einen Freund besuchen, ein Spiel machen -- oder, eine Zigarette rauchen; also das tun, was ich zur Zeit gerade zum sechsten Mal wiederholt habe und daher bereits weiss, dass dies an meiner Lustlosigkeit absolut nichts änderte, sowenig wie das Essen oder Trinken irgendwelcher Köstlichkeiten. Ich könnte auch schlafen. Nein, auch dazu habe ich keine Lust, obschon ich mich doch bereits wieder etwas müde fühle, von dem langen Herumirren in meinen Gedanken. -- Jetzt bin ich dem Verzweifeln nah, dem unerträglichen Zweifeln, was ich denn nun wirklich fühle, was und wer ich bin, und ob es Wahrheit, auch die Wahrheit meiner selbst, wirklich gibt. Ich werde aggressiv und realisiere, dass mir diese, meine nun sehr verzwickte Situation, immer lästiger wird. Schon beginne ich all die Menschen zu beneiden, die jeden Morgen um die genau gleiche Zeit, von ihrem Wecker aus dem Schlaf gerüttelt werden, danach das Tun, was sie jeden Morgen um diese Zeit tun, um dann, ganz unabhängig von ihren Lust - oder Unlustgefühlen, auf die Arbeit zu gehen, um dort zu erledigen, wozu sie sich bereits vor langer Zeit verpflichtet haben, um sich nicht wie ich, mit der Verwirrtheit ihrer Gedanken und Gefühle abplagen zu müssen. -- So werden wohl die Einen in diesem Leben verrückt, weil sie sich ihr ganzes lebenlang nicht um sich selber gekümmert, sondern immer nur das getan haben, was von ihnen verlangt wurde. Und die Andern, die werden verrückt, weil sie sich genau dem verweigert haben, um ja nicht verrückt zu werden, wie all diejenigen, die ihnen so lästig sind, und sich wohl daher der Verrücktheit alles Seins ausgeliefert haben. -- " So also gibt es nichts auf dieser Welt, was nicht verrückt ist, und auch keine Möglichkeit durch dieses Leben zu gehen, ohne dabei verrückt zu werden, verrückt und irre an diesem Leben und an unserem Menschsein," würde mich vielleicht mein Gegenüber jetzt fragen. Ja, genau dies denke ich. Zumindest nicht so lange, wie wir Menschen unsere Zeit damit vergeuden, alles was es auf dieser Welt gibt, in Normen zu ordnen, denn ordnen lässt sich das Leben nicht, und wird wohl deshalb verrückt; ver - rückt von diesen Normen. Sicher, mensch könnte, und dies tut er ja auch, immer wieder neue Normative erfinden, um dort auch noch das Ver - rückte zu ordnen, doch auch dies nützt ihm nichts, weil gerade dadurch immer wieder neue Verrücktheiten produziert werden, da das Leben, so denke ich, sich nicht ordnen lässt, weder in Normen noch in Verrücktheiten. -- Und wieder zurück, zu meinem zu Beginn so gut gemeinten Ratschlag, den ich nach all den nun getanen Gedankenreisen und dadurch erhaltenen Erkenntnissen, wohl nicht mehr aussprechen könnte, obschon ich auch diese Erkenntnisse, möchte ich sie nun wieder in ihrem Wahrheitsgehalt prüfen, ebenso gut widerlegen könnte, also beweisen könnte, dass diese neuen Erkenntnisse keine Wahrheiten sind, sondern höchsten eine kleine Erfahrung mehr, in den Wirrnissen meines Lebens. -- Wie aber könnte ich, nun angelangt in der Zwickmühle dieses Lebens, aus dieser Mühle wieder herausfinden, oder, mein Sein in der Zwickmühle ertragen ? Ich, zum Beispiel, reagiere dann meist so, bereits sehr stark von meinen Gedankenreisen durch die Verrücktheiten dieses Lebens und so auch meines Seins ermüdet, dass ich mir Mut zu spreche, mich wohl jetzt damit abfinden zu müssen, dass ich nun irgend etwas tun werde, und dies, ohne auch nur die geringste Lust dafür zu empfinden, also nur bestimmt durch die Unverträglichkeit des Nichtstuns. Habe ich dies dann einmal akzeptiert, was meist nicht ohne heftige Kämpfe gegen meinen eigenen Widerstand möglich ist, geht es dann nur noch darum, was ich jetzt, mit diesem meinem Wissen und der dazu absolut notwendigen Akzeptanz, dass ich irgend etwas sehr lustlos machen werde, tun könnte? Zu meinem eigenen Erstaunen, ist dies eine Fragestellung, die ich jeweils ohne grosse Schwierigkeiten, und wohl daher sehr bald gelöst habe. Dann nämlich tue ich immer etwas, wozu ich nie Lust habe, also irgendeine Arbeit, die ich in meinem Leben tun muss, obschon ich dazu noch nie Lust empfinden konnte. Wie zum Beispiel : die Wohnung sauber machen, Kohle-Holz-und Briketts aus dem Keller in die Wohnung hinauf tragen, Geld verdienen, meine Kleider flicken, die Steuererklärung ausfüllen, die Vorfenster vom Estrich holen-reinigen-und montieren, oder, was der Dinge auch immer sein mögen, welche ich in meinem Leben tun muss, obschon ich nie Lust dazu habe. So eine Tätigkeit, finde ich also meist innert kürzester Zeit, und so habe ich mich dann endlich dazu überwunden, etwas sehr lustloses, noch immer gefangen gehalten von der Lustlosigkeit, ganz lustlos zu machen, jedoch auch zu akzeptieren, dass mich dies enorm ermüden wird, weshalb ich in den Zeiten der Lustlosigkeit viel schlafen muss, beruhigt ob meiner Erfahrung, dass die Lustlosigkeit auch ohne mein Zutun, mich irgendeinmal wieder aus ihren Krallen loslässt, nur dadurch bestimmbar, dass ich endlich akzeptieren muss, dass diese Lustlosigkeit mich gefangenhält, denn erst wenn ich dies tue, wird sie auch bereit sein, mich irgendeinmal wieder frei zu lassen, was jedoch nicht ich bestimmen kann, wie so manches auf dieser Welt und in meinem Leben, das leider nicht ich selber bestimme.

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