Augenblicke aus der Nabelperspektive

Wenn die Mitmenschlichkeit unerträglich wird

Haben sie es eines Tages satt, von ihren Mitmenschen nicht mehr zu erfahren, als dass sie gut funktionieren, also das tun, was von ihnen erwartet wird; das, was hier alle tun. Erwartungen erfüllen, die zur Norm geworden sind und verinnerlicht wurden, so dass die Menschen glauben, dies sei die Erwartung, die sie an sich selber haben. Das lässt sie dann glauben, dies aus freiem und eigenem Willen zu tun. Wie es ihnen dabei ergeht, kann man an ihren verkrampften und verzerrten Gesichtern sehen.
Das Erfüllen von fremdbestimmten Erwartungen ist für alle Menschen ein Krampf. Das wissen wir. Das fühlen wir. Und doch akzeptieren wir den Krampf. Weil dies alle tun, und weil wir es so gelernt haben -- Gelernt haben, dass dies das Leben sei, mit der versprochenen Belohnung, uns dafür die verrücktesten und kaum erdenkbaren Vergnügen kaufen zu können. Bestimmt, zumindest am Anfang, mag dies schon etwas Sonne in unser Leben hineinbringen. --
Wer dass unsere Mitmenschen aber wirklich sind, wie sie das Leben ertragen, oder ob sie es kaum noch aushalten, was sie freut oder traurig macht, also ihr Menschsein, das zeigen sie uns nicht. -- Weil wir in einer Gesellschaft leben, in der nicht unser Menschsein, sondern unsere Tapferkeit und unser Treue zur Funktion gefragt ist; unser Mitmenschsein.
Glauben sie eines Tages, diese funktionierenden Wesen nicht mehr länger ertragen zu können, weil sie sich nur dann zu erkennen geben, wenn sie ihnen einmal mehr Normen und Realitäten des Lebens vor Augen führen; so, als kennten nicht auch sie Normen und Realitäten, seit ihrem ersten Lebenstag, nur weil sie vielleicht einige davon missachtet haben, so getan haben, als kennten sie diese nicht, oder als wären die nicht für sie erstellt worden. Glauben sie, diese hier so weit verbreitete Menschlichkeit nicht mehr länger ertragen zu können, die für sie nichts mit Menschsein und Leben zu tun hat -- dann machen sie etwas. Tun sie etwas, das in ihrer Umgebung kaum jemand macht, das aber sofort zu erkennen ist. Färben sie zum Beispiel ihre Haare. Nicht so, wie dies hier viele Menschen tun, um vielleicht doch noch etwas schöner, und je nach Alter, jünger oder älter zu erscheinen. Färben sie ihre Haare so, dass die Menschen sie anschauen -- Nicht nur einmal, auch noch ein Zweitesmal. Sich nach ihnen umdrehen, ihnen gegenüber ein Gefühl äussern, und vielleicht sogar über sie zu sprechen beginnen. Sie werden das Gefühl haben, jemand sehr wichtiges für ihre Mitmenschen zu sein, wo sie bis anhin doch kaum von ihnen wahrgenommen wurden. Einen kleinen Genuss werden sie bestimmt haben. Nur ärgern dürfen sie sich nicht, falls man ihre Haarfarbe scheusslich findet. Freuen sie sich, dass sie ihre Mitmenschen für einen kurzen Moment aus dem Schlaf der Gleichgültigkeit geweckt haben. Sind sie aber ein Mensch von dem man nichts anderes erwartet, weil die Mitmenschen sie zu kennen glauben, wie sie auch meinen die gut gekleideten Menschen zu kennen. In dem Fall rate ich ihnen eher, als ganz anständiger Bürger durch die Strassen zu gehen. Vielleicht mit einem Aktenköfferchen, wie es sich für Geschäftsleute gehört, und dann die Haare zu färben. Tun sie einfach etwas, was die Mitmenschen in ihren vorgefassten Bildern verwirrt. Machen sie dies aus Lust an ihren Reaktionen und freuen sie sich daran. Ihr Ziel ist es ja nicht den Menschen vorzuschreiben, wie sie zu reagieren haben, sondern sie zu einer Reaktion zu führen und sie in ihrem Gedankenkonstrukt etwas zu verwirren. Wie sie dies tun, ist ihren Phantasien überlassen.
Unzählige Möglichkeiten hätten wir Menschen, wie wir leben und unsere Tage verbringen könnten. Und doch tun wir fast alle mehr oder weniger das selbe. Kleiden und schmücken uns, wie es die Mode jeweils gerade vorschreibt, und verhalten uns, wie dies von uns als Mann, Frau, junger oder alter Mensch erwartet wird. Sie können beweisen, dass diese Normen sehr krankhaft und unmenschlich sind. -- Versuchen wir es doch, mit unserem Leben und mit uns selber etwas spielerischer umzugehen. Wenn sie Lebenslust in sich fühlen, Normen und Realitäten sie aber fast erdrücken wollen; bis auch ihr Wesen so weit vernichtet ist, und sich in dieses System einfügen lässt. Fordern sie dann ihre Mitmenschen mit dem von ihnen verlangten Anstand heraus. Überholen sie zum Beispiel die lange Schlange von Wartenden, vor der Kasse eines Selbstbedienungsladens, und fragen sie kurz vor der Kasse jemanden sehr freundlich, ob es sie störe, wenn sie sich vor sie hin stellten. Da es hier die meisten Menschen aufgegeben haben zu sagen, was sie wirklich stört, vorallem, wenn dies in einem anständigen und gesellschaftlich normierten Kleid an sie herantritt, wird man ihnen bestimmt antworten " Oh, nein; bitte ", Man wird ihnen Platz anbieten. Den Ärger der Wartenden werden sie fühlen. Sie aber werden es kaum wagen, sie zu Recht zu weisen, weil sie anständig gefragt hatten. Ihre Mitmenschen werden sich darüber ärgern, dass sie noch immer, und immer wieder, in dieser Schlange stehen, nichts dagegen tun sondern akzeptieren, was unveränderbar scheint. ---
Viele Beispiele könnte ich aufzählen, wie ich es jeweils schaffe, mich aus dem Sog der oft so niederdrückenden Lethargie und der totalen Lustlosigkeit herauszustrampeln. Wie sie dies tun können, das leider kann ich ihnen nicht sagen. Was ich aber noch zu wissen meine, ist: dass wir uns in unserem Leben drehen und wenden können, wie immer dies auch möglich ist, am Arbeiten jedoch werden wir nie vorbei kommen. Vielleicht am Geldverdienen, falls wir eines Tages das grosse Los gezogen haben, oder irgendwo ein reicher Onkel in Erscheinung tritt, der gerade uns sein ganzes Vermögen vermachen will, oder weil wir sonstwo einen Mäzen oder eine Mäzenin gefunden haben. Wollen wir aber wirklich leben, und brauchen etwa das Gefühl, Leben fliesse durch unsere Venen, müssen wir dafür etwas Tun. Unsere Lebenskräfte müssen wir in unser Leben investieren. Für sie gibt es kein Konto, wo sie sich vermehren könnten. Sie können wir nicht auf ein Sparkonto legen, für spätere Zeiten. Fühlen wir Lebenskraft in uns, müssen wir diese investieren. Fühlen wir uns aber matt und lustlos muss das gelebt, also investiert werden.
Wir müssen uns in unser Leben investieren, nur so werden wir leben und nicht nur funktionieren können.

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