Polizei, Dein Freund und Helfer?!
Wessen Freund und wessen Feind?!
Sicher, nicht Sicherheit, und doch ist es sicher - nichts als die
Wahrheit.
Ja, ich bekenne mich dazu: noch lebe ich alleine, und bin bereits
vierzig Jahre alt. Es entspricht ebenso der Wahrheit, dass ich öfters
nach Mitternacht alleine durch die dunkeln Gassen der Stadt und des
Quartiers nach Hause gehe. Ja ich bekenne mich dazu, dass ich eine
Frau bin, und dass oft zu später Abendstunde in meiner Wohnung noch
Licht brennt, dass ich zu dieser Zeit oft noch Musik höre, alleine
oder zusammen mit Bekannten, und dass oft plaudern und lachen zu hören
ist.
Gewiss, wenn auch ohne Gewissheit, ich kenne sie die Polizei -- dein
Freund und Helfer bei Tag und bei Nacht. Schon oft konnte ich sehen,
wie sie gestraft, gebüsst oder kontrolliert haben, jene die sich nicht
ganz unauffällig und korrekt durch die Strassen begeben, bei Tag und
bei Nacht, zu Fuss, mit Fahrrad, Mofa oder, gemeint geschützt, versteckt
im Automobil. Sie, deine Freunde kannst du finden, überall und zu
jeder Zeit. Sie kontrollieren dich. Du lernst sie kennen, verstösst
auch du eines Tages, mit oder ohne Absicht, gegen Ruhe und Ordnung,
denn deren Freund und Helfer sind sie.
Oft habe ich bezahlt, weil ich verstossen hatte gegen irgendeine anonyme
Ordnung, oder gegen die Ruhe. Zu Beginn lebte noch ich in der Illusion,
dass bestimmt irgendein ein Mensch hinter dieser Ruhe und Ordnung
sitze, gegen die ich verstossen hatte. Es war wohl mein Pech, dass
ich sie nie kennenlernte, diese Menschen für deren Ruhe ich oft, mit
der Zeit sogar recht gern, bezahlt hatte. Ich wusste ja, die Aufgabe
der Polizei ist, uns Menschen zu schützen, unsere Ruhe und Ordnung.
Und dies nicht erst, wenn wir uns selig und ruhig für immer zur Ruh
gelegt haben.
Ich gehöre also zu den Menschen, die oft und viel bezahlt haben, wenn
auch mit einem gewissen Unverständnis, weshalb ich dies nicht den
Menschen zahlen durfte, die ich in ihrer Ruhe oder Ordnung gestört
hatte. Gerne hätte ich sie kennen gelernt. Hätte mich für die Störung
entschuldigen, und mit dem Bezahlen wieder gutmachen wollen. Hätte
mit ihnen sprechen wollen, um weitere Störungen vielleicht vermeiden
zu können. Wen ich gewusst hätte, wen und was ich störe, und sie --
weshalb ich störe. Trotz Einsprache und Verweigerung dem Staate das
Geld zu bezahlen, den ich meiner Meinung nach nicht gestört hatte,
und auch Gerichtsverhandlungen brachten mich nicht weiter. Die Menschen,
die ich in ihrer Ruhe und Ordnung wohl gestört haben musste, durfte
ich nicht kennen lernen. Bei ihnen also konnte ich meine Schuld nicht
wieder gutmachen. Trotz all meiner Bemühungen, musste ich mich damit
abfinden; musste akzeptieren, was mir so unmenschlich erschien. Dass
dies unmenschlich sei, diese Meinung teilten Polizei und Gerichtspräsident
mit mir; Gesetz aber, sei eben Gesetz, und diese hätten nicht sie
gemacht.
So gab ich auf und akzeptierte, genau bis zu dem Tag, wo ich in diese
mir fremde, nicht gewohnte und sehr unangenehme Situation hineingeriet.
An diesem Tag, wurde nämlich ich in meiner Ruhe nicht nur gestört,
sondern bedroht -- bedroht mit Gewalt. --
Vor ein paar Wochen wurde ich zum ersten Mal von ihm bedroht, nur
weil ich ihn aufforderte, meine Wohnung zu verlassen. Schon damals
kam ich nur sehr knapp an der männlichen Gewalt vorbei.
Verzeihlich und etwas dumm, wie wir Frauen in unserem sozialen Denken
oft sind, war auch ich. Deshalb willigte ich ein, dass der eben erwähnte
Mann zu einem Kartenspiel, zusammen mit andern Freunden, erneut zu
mir kommen könne. Das war dumm, und es kam zur Wiederholung.
Alle waren bereits gegangen, und ich mit Sepp allein. Und wieder die
selben Belästigungen, diese ach so diskriminierenden Geschichten.
-- Ich möchte, dass er jetzt geht. Doch auch diesmal hilft keine freundliche
Aufforderung, und schon wieder die Androhung von Gewalt. Immer dann,
wenn ich kritisiere. Es mag seine Hilflosigkeit sein. Ich aber kann
nicht mehr. -- Und dann -- Noch so gut habe ich den Fernsehfilm in
Erinnerung, "Männer die vergewaltigen" mit der Fortsetzung
von gestern Abend, "Noch gibt es ein Weg an der Angst vorbei".
Ich habe Angst. Ich mag sie nicht die Gewalt, als Zeichen der Hilflosigkeit
und Demonstration von Macht. Ich aber kann nicht mehr länger aushalten,
ertragen. Ich möchte sagen, jetzt reichts, geh! Und doch, sie ist
da, die Angst vor der Gewalt. Ob er wohl stärker ist? Ist egal, wenn
es los geht, geht es los und wir gehen bis zum Letzten. -- Ich mag
nicht. Ich bin wütend, verzweifelt und sehr hilflos -- traurig. --
Dann -- auf einmal -- ein Gedanke, Polizei -- dein Freund und Helfer?!
-- Ja, ich bin sicher, und ergreife den Telefonhörer. -- Am andern
Ende: "Stadtpolizei, Herr Dällenbach". -- Mit ängstlicher
und zitternder Stimme flehe ich um Hilfe. -- "Nein, keine Anzeige
-- Nein, noch hat er mir nichts gemacht -- Nein, er ist nicht mein
Mann -- Nein, auch nicht mein Freund -- Wie dass er dann in meine
Wohnung gekommen sei? -- Ja, durch die Türe". -- Herr Dällenbach:
"Wie -- Um diese Zeit?" -- "Ob ich die Türe denn nicht
geschlossen hätte und wie er heisse. -- Ich, -- ich bitte, -- ich
bitte sie nur um eine kleine Hilfe, und werde ihnen alles erzählen,
wenn sie da sind. Ich habe Angst. -- Was denn geschehen sei!"
-- Ich kann nicht mehr und sage noch einmal: "Bitte, kommen sie,
helfen sie mir, ich habe Angst -- bereits vor einigen Wochen ist er
beinahe gewalttätig geworden, als er meine Wohnung verlassen musste.
-- Ich möchte doch nur, dass sie mir helfen, damit dieser Mann meine
Wohnung wieder verlässt. -- Helfen sie mir denn erst, wenn er mich
zusammengeschlagen hat!? --
Und sie kamen nicht. --
Polizei, dein Freund und Helfer. Ja, sie kennen meine Wohnung. Sie
waren schon oft hier, weil diesen Freunden irgend jemand telefoniert
hatte, dass man bei mir noch Musik höre, obschon zehn Uhr schon vorbei
sei -- Und wie die dann kamen. --
Polizei, dein Freund und Helfer -- Wessen Freund -- Wen oder was schützt
ihr?
Immer nur die, welche die Macht doch schon bereits auf ihrer Seite
haben?
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