Augenblicke aus
der Nabelperspektive
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Für Hans-Peter Oh Mann im mittleren Alter, lass das Streiten um die
Generationen.
Wer kennt ihn nicht diesen immer wieder zu hörenden Satz. Sobald wir uns freuen wollen: "Freue dich nicht zu früh". Nicht einmal freuen dürfen uns unbekümmert, ohne Planung und Voraussicht. Zu früh kann man sich nicht freuen. Man kann sich nur freuen, oder eben nicht. Ja, verpassen können wir es, uns zu freuen. So lange die Freude in uns zurückhalten, vor Angst und Aussicht auf das Kommende, bis wir uns überhaupt nicht mehr freuen; nicht mehr im Moment leben können. Wie oft lassen wir uns täuschen, dass Vergangenheit und Zukunft wichtiger sei als der Moment, und verpassen dabei den Moment zu leben. Bis wir nichts mehr erleben, und deshalb immer mehr machen und konsumieren müssen -- Und doch das Lebensgefühl nicht einfangen können -- Eintönigkeit und Langeweile uns erdrücken, weil Vergangenheit und Zukunft uns den Moment vertrieben und gestohlen haben.
Es ist unglaublich, die Traurigkeit, die ein Mensch in seinem Herzen tragen kann. "Es enormes la tristessa que un hombre puo aver"
Das die Anfangsworte von einem Lied aus Südamerika. Eine Melodie,
die mich seit vielen Jahren durch mein Leben begleitet. -- Die Traurigkeit,
ein Teil von mir, wie von vielen andern Menschen auch. Die Traurigkeit,
auf die wir oft meinen, nur dann ein Recht zu haben, wenn sich in
unserem Leben etwas sehr Trauriges ereignet hat. Ich aber spreche
nicht von dieser Traurigkeit, die ebenso vergänglich sein kann, wie
die eintreffenden Ereignisse. Ich meine die Traurigkeit, die wir in
unserem Herzen tragen, ein Lebensgefühl, das uns durch unser Leben
begleitet. -- Menschen lachen, und Menschen weinen. -- Glücklich musst
du durchs Leben gehen; dein Lachen verspricht dir Anerkennung und
Erfolg, deine Tränen jedoch kaum. Für dein Lachen brauchst du dich
nicht zu rechtfertigen, für dein Weinen schon. Deine Tränen mögen
sie nicht, denn sie erinnern sie, an ihre eigenen nicht geweinten
Tränen. -- Nur Kinder weinen, sie sind noch klein und sehr verletzlich.
Als Kind darfst du noch verletzlich sein. Einmal gross geworden, hast
du glernt, deine Traurigkeit und Verletzlichkeit zu kontrollieren,
denn sie schenken dir kaum Anerkennung und Erfolg. Ein erwachsener
Mensch hat seine Gefühle im Griff -- wenn nicht, bist du ein Versager,
ein Schwerenöter -- undankbar, denn in diesem Land geht es den Menschen
gut, da kannst du dir alles kaufen, was du brauchst; auch Drogen gegen
die Traurigkeit, denn die ist bei uns nicht gefragt. -- Lachen ja,
weinen nein. -- Schon nur dieses Massengelächter kann mich traurig
machen, und lässt mich einsam bleiben. Ich gehöre nicht dazu. All
zu oft schliessen sich lachen und weinen aus. Wohl deshalb lachen
die Menschen oft auch dann, wenn es ihnen ums Weinen ist. -- Der richtige
Spruch, im richtigen Moment, und du bist dabei. Meist auf Kosten eines
anderen Menschen, und wenn du da nicht lachen kannst. -- Email: erufer@bluewin.ch |