Augenblicke aus der Nabelperspektive

Für Hans-Peter

Oh Mann im mittleren Alter, lass das Streiten um die Generationen.
Denn dein Streiten ist nicht dein Streiten. Es ist das Streiten, das man uns lernen will. Das Streiten, wo man sich fragt: Wer wird gewinnen, und wer der Verlierer sein.
Oh Mann im mittleren Alter, lass das Streiten um die Generationen.
Denn sie, die Jungen, haben schon lange verloren.
Und du, im Alter von Karriere und Gewinn --
Deshalb ihr Feind.
Ja, ich weiss -- Da bist du trotz Erfolg ausgestiegen.
Bist du heute also wirklich der Gewinner -- und deshalb ihr Feind?
So lass das Streiten.
Meide sie nicht, weil sie noch nach Leben riechen -- Den Duft ihrer Jugend noch nicht verloren haben, und nicht wissen wollen -- Das was ihre Feinde sie nun endlich lernen möchten.
Sei ihr Freund, denn Gründe dazu habt ihr genug.
Wählen aber ihren Feind -- das können sie nicht -- das wollen sie nicht.
So sei ihr Freund, und lass dein Schlagen mit Verachtung -- Denn geschlagen wurden sie genug.
Verachte und schlage die -- diejenigen die sie geschlagen haben. Die sie solange schlugen, bis sie zerstört haben ihr Denken.
Und nun -- schlagen sie zurück. Auf alles was nach Feindschaft stinkt.
Noch ist ihre Nase fein und sehr sensibel, um zu riechen ihren Feind.
Oh Mann im Mittleren Alter, lass dein Streiten um die Generationen.
Sei ihr Freund und lerne sie, was sie nicht lernen konnten.
Denn noch sind sie jung -- Noch wollen sie leben -- Wissen, verstehen und auch lernen.
Schenk ihnen nicht nur dein Gesicht, das die Hoffnung nicht mehr auf sich trägt,
denn gezeichnet ist es von ein paar Jahren mehr.
Lerne sie, was du weist und kannst -- Sie noch nicht lernen konnten.
Und Vergiss das Fragen nicht!
Oh junger Mensch, noch voller Kraft und Schrei nach Leben -- Was willst du mich lernen, was ich noch nicht lernen konnte?
"Denn Jungsein, Altsein trennt uns nicht. Aber schenk mir nicht nur deine Wut
Schenk mir auch deinen Mut." Oh Mann im mittleren Alter, lass das Streiten um die Generationen.
Lass das Streiten, in dem es immer Verlierer und Gewinner geben muss.
Sei ihr Freund und lerne sie. -- Dann, kannst auch du lernen und verstehen,
Das, was sie dir zu sagen haben.

 

Fröi di nid z'frühe

Wer kennt ihn nicht diesen immer wieder zu hörenden Satz. Sobald wir uns freuen wollen: "Freue dich nicht zu früh". Nicht einmal freuen dürfen uns unbekümmert, ohne Planung und Voraussicht. Zu früh kann man sich nicht freuen. Man kann sich nur freuen, oder eben nicht. Ja, verpassen können wir es, uns zu freuen. So lange die Freude in uns zurückhalten, vor Angst und Aussicht auf das Kommende, bis wir uns überhaupt nicht mehr freuen; nicht mehr im Moment leben können. Wie oft lassen wir uns täuschen, dass Vergangenheit und Zukunft wichtiger sei als der Moment, und verpassen dabei den Moment zu leben. Bis wir nichts mehr erleben, und deshalb immer mehr machen und konsumieren müssen -- Und doch das Lebensgefühl nicht einfangen können -- Eintönigkeit und Langeweile uns erdrücken, weil Vergangenheit und Zukunft uns den Moment vertrieben und gestohlen haben.

 

Es ist unglaublich, die Traurigkeit, die ein Mensch in seinem Herzen tragen kann.

"Es enormes la tristessa que un hombre puo aver" Das die Anfangsworte von einem Lied aus Südamerika. Eine Melodie, die mich seit vielen Jahren durch mein Leben begleitet. -- Die Traurigkeit, ein Teil von mir, wie von vielen andern Menschen auch. Die Traurigkeit, auf die wir oft meinen, nur dann ein Recht zu haben, wenn sich in unserem Leben etwas sehr Trauriges ereignet hat. Ich aber spreche nicht von dieser Traurigkeit, die ebenso vergänglich sein kann, wie die eintreffenden Ereignisse. Ich meine die Traurigkeit, die wir in unserem Herzen tragen, ein Lebensgefühl, das uns durch unser Leben begleitet. -- Menschen lachen, und Menschen weinen. -- Glücklich musst du durchs Leben gehen; dein Lachen verspricht dir Anerkennung und Erfolg, deine Tränen jedoch kaum. Für dein Lachen brauchst du dich nicht zu rechtfertigen, für dein Weinen schon. Deine Tränen mögen sie nicht, denn sie erinnern sie, an ihre eigenen nicht geweinten Tränen. -- Nur Kinder weinen, sie sind noch klein und sehr verletzlich. Als Kind darfst du noch verletzlich sein. Einmal gross geworden, hast du glernt, deine Traurigkeit und Verletzlichkeit zu kontrollieren, denn sie schenken dir kaum Anerkennung und Erfolg. Ein erwachsener Mensch hat seine Gefühle im Griff -- wenn nicht, bist du ein Versager, ein Schwerenöter -- undankbar, denn in diesem Land geht es den Menschen gut, da kannst du dir alles kaufen, was du brauchst; auch Drogen gegen die Traurigkeit, denn die ist bei uns nicht gefragt. -- Lachen ja, weinen nein. -- Schon nur dieses Massengelächter kann mich traurig machen, und lässt mich einsam bleiben. Ich gehöre nicht dazu. All zu oft schliessen sich lachen und weinen aus. Wohl deshalb lachen die Menschen oft auch dann, wenn es ihnen ums Weinen ist. -- Der richtige Spruch, im richtigen Moment, und du bist dabei. Meist auf Kosten eines anderen Menschen, und wenn du da nicht lachen kannst. --
Traurigkeit und Leid, sie kennen keine Konkurenz. Nur wir Menschen konkurieren mit unserer Traurigkeit und unseren Nöten -- wer hat das grösste Recht traurig zu sein, welche Not, welches Leid ist grösser? -- Es gibt nur die eigene Not, das eigene Leid und die eigene Traurigkeit, sie konkurieren nicht. So lassen wir die Konkurenz um Leid und Traurigkeit, und ermutigen uns zu weinen, wenn wir traurig sind, und zu lachen, wenn wir glücklich sind. Lachen und Weinen müssten einander weder bedrohen noch konkurieren; beides Gefühle, die gelebt werden möchten.

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