Augenblicke aus der Nabelperspektive

Für Lorenzo

Oh junger Mann, da sitzt du oben am Tisch. Am Tisch in der Kneipe.
Am selben Tisch wie ich.
Nur kurz und selten treffen sich unsere Blicke.
Wer mag er sein -- Der junge Mann mit seinem Knabengesicht, aus dem mir seine noch so kindliche Schönheit entgegen lacht.
Noch ist er jung. Noch darf er Knabe sein.
Doch Mann möchte er sein -- Einen Mann stark und reif.
Ich aber sage dir:
Erwachsen sein, heisst nicht gross und stark sein.
Überlege es dir gut -- Ob du wirklich willst, opfern deine Kindlichkeit,
Die Heute noch nach Leben schreit
Dem Erwachsensein -- dem Funktionieren, dem gross und stark sein.
So wie sie es tun, all diese so erwachsenen Männer.
Noch bewunderst du sie, möchtest werden so wie sie.
Hast du sie aber gefragt, was, dass sie dafür bezahlt haben?
Oh wie ich sie hasse, diese oft so erwachsenen Männer.
Durch wieviel Not mussten sie gehen, um als Mann männlich zu sein --
So wie man es von ihnen verlangt.

Ich mag sie nicht, diese oft so starken und coolen Männer.
Und doch -- oft tun sie mir leid. Sehr leid
Denn auch sie mussten als Mann einen Mann werden -- gross und stark
Denn Erfolg wollten sie haben.

Was aber haben sie erreicht ?
Einen Beitrag mehr geleistet, zur Zerstörung dieser Welt ?
Zu dieser ach so männlichen Welt
In der Frauen und Kinder kaum einen Platz haben -- Denn sie wollen leben.

Überlege es dir gut
Ob auch du, deine noch so schöne Kindlichkeit, opfern magst
Diesem Erwachsensein.

 

Ohne Titel
Alles was ich suche ist Nähe
Ist menschlich Nähe
Ist Nähe zu dir
Du, der irgendwo bist
Du, den ich nicht kenne

Alles was ich brauche ist Nähe
Deshalb suche ich dich
Dich den ich nicht kenne
Du, der Nähe sucht, genau wie ich
Du der noch lieben kann wie Kinder
Eine Nacht, und ja nicht mehr.

Denn dann --
Denn dann, sind wir nicht mehr einfach Menschen
Menschen wie Kinder
Können nicht mehr lieben wie Kinder
Dann bin ich -- Ich
Und du -- bist Du

Jetzt sind wir erwachsen
Jetzt müssen wir überlegen
Überlegen, was wir ertragen
Und -- was wir dürfen

Und nun machen wir Sex
Sex, so wie dies erwachsene Menschen tun
Sex, wie mann es uns gelernt hat
Sex, wie mann es macht.

Alles was ich brauche ist Nähe
Und Sex
Sex -- nicht wie mann es tut
Sex, wie wir -- wie wir Nähe -- wie wir Nähe leben können.
Im Sein
Du und Ich

 

Liebesgedicht

Oh schöner Jüngling
Du fragst mich, weshalb ich hier an dieser Bar stehe.

Ja, es ist wahr
Ihr alle seid um einige Jahre jünger
Ihr habt noch Kindergesichter.

Ihr habt noch Kinderaugen
Herzen, die noch schmerzen
Stimmen, die noch schreien.
Ihr wollt noch leben
Obschon ihr um euer Überleben kämpft.
Noch wollt ihr nicht wissen
Was die Menschheit von euch verlangt

Noch wollt ihr Kinder bleiben
Noch wollt ihr schreien
Noch lässt ihr euch das Spiel nicht nehmen.
Noch wollt ihr nicht sein, wie all diejenigen, die euch verachten
Ihr sie dafür auch hasst.

Es ist wahr
Bei euch ist es laut
Und eure Nöte liegen offen im Raum.

Da gibt es keine Harmonie
Da gibt es Schmutz, Streit und Lachen
Da gibt es nichts zu verstecken
Denn noch seid ihr da.

Oh schöner Jüngling
Ïch komme hier an diese Bar
Weil ich hier mehr schöne Menschen treffe
Als Draussen, wo es sauber und ruhig ist.

Ich liebe dein Knabengesicht
Deine Augen, die noch staunen
Und ihren Glanz noch nicht verloren haben.
Dein Herz, das noch lieben will,
Du, der nach Leben schreit.

Oh schöner Jüngling
Wie lange geht es noch
Dass deine Augen noch staunen und glänzen
Dass dein Herz noch lieben will
Und du, noch Knabe sein kannst.

Ich liebe dich
Nicht, weil du eine Gesichstfalte weniger hast,
Oder weil deine ganze jugendliche Schönheit mir entgegen lacht.
Ich liebe dich
Weil du noch nach Leben schmeckst
Weil du noch duftest und farbig bist.

 

Die Türkin -- Die Alte

Irgendwie liebte ich sie vom ersten Tag an. Sie faszinierte mich in ihrem Sein -- Und wie sie immer wieder meine ganze Aufmerksamkeit erobern konnte, ohne Worte, die ich verstehen konnte. Es war ihr Clowngesicht, das meine Augen anzog, sie unermüdlich darauf spazieren und sich ausruhen liessen; das mir Freude und Faszination schenkte. Ihre pflaumenähnlichen Rundbäckchen, mit der Feinheit eines Kinderpoos, liessen oft meine Finger kaum ruhig bleiben. Wenn auch etwas schüchtern, musste ich diese Rundbäckchen immer etwa wieder streicheln, um die Feinheit, dieser sonst so sehr von Falten gezeichneten Haut zu fühlen. Diese Pflaumenbäckchen waren fein und faltenlos. Sie freuten sich auf jeden Kuss von mir, was ich mir jedoch nur in speziellen Momenten erlauben durfte. Nie, um sie zu beschwichtigen -- wenn ihr Clowngesicht einen bald hereinbrechenden Gewittersturm ankündigte. Beschwichtigen liess sie sich nie und von niemandem. Zorn und Lachen lebte sie rücksichtslos ihrer Umgebung gegenüber aus. Wie manchen Streit aber konnte sie immer wieder schlichten, ohne Worte, nur mit ihrem Clowngesicht. Wie viel Freude hat sie uns immer wieder geschenkt, wieviele Momente, in denen wir herzhaft lachen konnten. Ob wohl ihr Lachen, ob all ihrem erlittenen und gelebten Schmerz einen so unbeschreiblichen Ausdruck hatte -- und ihr Humor so wundervoll war, ob all dem Leid, das ihr Leben gezeichnet und bestimmt hat ? --
Ja, ich liebte sie und mochte ihre unglaublich schwabelige und mollige Körpermasse -- die Schüchternheit, die zwischen uns lag, wenn ich mich an sie schmiegte, ihre erotischen Kniffe in meinen Hinterteil, als Zeichen, das Nähe mit Gefahren verbunden ist. Wir liebten das Spiel von Nähe und Distanz und kannten die Normen, die es hier einzuhalten galt. Es war unser Spiel, unsere Lust, unsere Liebe und unsere Erotik. Sie wusste, dass ich ihre Sprache nur wie Musik verstehen konnte, und freute sich an meiner ganze Aufmerksamkeit, die ich ihren Worten schenkte, um ihre Melodie zu verstehen. Sie, die sich nur noch mit grösster Mühe alleine fortbewegen konnte, und so sehr auf die Hilfe ihrer Umgebung angewiesen war; ihr Leben, das so sehr von andern Menschen bestimmt wurde. Sie war für mich ein eigenwilliger Mensch, wie ich ihn kaum je zuvor getroffen hatte, eine Frau die sich ihr Leben und ihre Eigenständigkeit nur mit Humor erhalten konnte.

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