Augenblicke aus der Nabelperspektive

Die Liebesgeschichte

Ich sah dich. Ich sah deine Augen, sie zogen meinen Blick an. Ich liebte sie, deine Augen, die mich in eine Tiefe blicken liessen, in eine Tiefe, die mir vertraut und doch unbekannt war. Nein, es war nicht Liebe auf den ersten Blick. Es waren deine Augen, die mich nicht mehr losliessen, die mir etwas erzählen wollten, das ich weder sah noch verstehen konnte. Es waren deine Augen, die meine Neugierde weckten, sie hatten mich berührt. Das wusstest du nicht, das konntest du nicht wissen, zumindest nicht bis zu dem Moment, wo ich es wagte, ganz tief in sie hineinzuschauen. Unsere Augen sind sich begegnet, das hat uns berührt -- ganz tief in uns drinnen -- denn sonst gab es nichts, das uns aufeinander hätte aufmerksam machen können. Weder fanden wir einander speziell schön, noch unglaublich interessant. Du, so ein ganz normaler Mann, ja, ein Vizedirektor - Mann mit Erfolg, nichts das mich beeindruckt und schon gar nicht berührt. Nur deine Augen, von denen ich nicht loskam. Wer mochte er sein, dieser Vizedirektor, mit Augen, die eine unglaubliche Tiefe erahnen liessen. Ich, für dich eine Frau, die viel zu viel spricht, eine Emanze, eine Rebellin -- nichts was dein Interesse weckte. Wir interessierten uns nicht für einander. Es waren nur unsere Augen, die sich begegnet waren, und wir liessen es zu -- wir konnten nicht anders. Ich wollte wissen, was deine Augen nur erahnen liessen.
Ich sagte: dass ich mit dir alleine noch ein Bier trinken möchte. Du, noch immer ganz benommen von der Begegnung unserer Augen, sagtest nichts, nahmst nur deinen Mantel -- bereit, mit mir wegzugehen. Wir wussten nicht wohin. Sehr schüchtern, und kaum von uns selber bestimmt, suchten sich unsere Hände. Sie fanden sich und berührten einander. Durch unsere Hände suchten wir einander, und wir gingen weiter. Wir blieben stehen, schauten einander an, und nun suchten sich ganz behutsam und ebenfalls etwas schüchtern auch unsere Lippen, und die Hände spazierten über den noch unbekannten und fremden Körper. Wir sprachen nicht. Es gab keine Worte, die jetzt hätten gesprochen werden können. Unsere Beine führten uns nach Hause, und dort begegneten sich unsere Körper -- schüchtern und wild in einem. Wir liebten einander, gingen zu Bett, streichelten und liebkosten den uns noch fremden Körper -- und schliefen glücklich und zufrieden in den Armen des andern ein. --
Tage, Monate und Jahre vergingen. Wir lernten einander zu lieben. Unsere Liebe wuchs und wurde grösser, Abschied konnten wir nicht mehr voneinander nehmen. Und auch heute noch, suchen sich immer wieder von neuem unsere Augen, und die Hände wollen gehalten sein; suchen die Nähe des andern, wenn unser Alltag, uns voneinander getrennt hat. --
So lass uns unseren Augen und Händen vertrauen, die eine endlose Fähigkeit haben, die Tiefe und die Nähe des andern zu suchen und zu finden. Ich liebe dich von ganzem Herzen, viel mehr als damals, als unsere Augen und Hände sich zum ersten Mal begegnet sind; nur durch sie, haben wir uns nicht aus den Augen verloren.

 

Das Leben ist vergänglich
Wann ich sterben werde, ist nur eine Frage der Zeit, das ist weder traurig noch tragisch. Wir alle wissen, dass wir sterben werden. Jedes Leben ist befristet; ist nur eine Frage der Zeit. Ob uns das bedroht und Angst macht? Mag das der Grund sein, dass getan und gelebt wird, als wäre der Tod nicht eine Frage der Zeit, als wäre unser Leben nicht vergänglich.
Ja, wir alle sind vergänglich, also gar nicht so wichtig, wie wir dies immer zu glauben meinten. --
Mit dem Wissen unserer Vergänglichkeit können wir ruhig sagen: nehmen wir uns wichtig, aber bitte nicht tragisch.

Ende

zurück zum Inhaltsverzeichnis des Buches

Email: erufer@bluewin.ch

 

  Philosophie - Interesse - Biografischer Überblick - Dienstleistungen - Arbeit, Projekte - Tips und Tricks - Angebote, Links - Schriftstellerin  
zum Inhaltsverzeichnis