Augenblicke aus der Nabelperspektive

Annäherung an den Zwischenmensch

Der Zwischenmensch ist kein Mitmensch.
Wenn wir wissen, ob wir als Mitmensch geboren werden,
Wissen wir,
Ob man als Zwischenmensch bereits zur Welt kommt.
Wir sind nicht alles Mitmenschen.
Es gibt auch den Zwischenmensch.
Zwischenmenschen sind so verschieden, wie Mitmenschen.
Gebe es die Mitmenschen nicht, gebe es wohl auch den Zwischenmensch nicht.
Dann, vielleicht,
Gebe es nur Menschen.
Verschiedene Menschen.
Es gebe nicht gute Menschen, und nicht schlechte Menschen.
Es gebe nur Menschen, die sich verstehen, und solche, die sich nicht verstehen.
Es gebe nicht grosse Menschen und nicht kleine Menschen.
Es gebe nur Menschen, die dir gross oder klein erscheinen.
Vielleicht,
Würden sie auch mir so erscheinen.
Vielleicht aber auch nicht.

Wir meinen zu wissen, was alle wissen, und dies sei die Wahrheit.
Die Wahrheit, das Ergebnis der Summe.
Die Menge bestimme, was gut oder böse, was schön oder wüst sei.
Das stimmt nicht.
Diese Wahrheit gibt es nicht.
Es gibt nur die Übereinkunft.
Die Übereinkunft, an die wir uns meist halten.
Halten müssen.
Sie gebe uns Halt, meinen wir zu wissen,
Doch auch dies, nur eine Übereinkunft.
So haben wirs gelernt.
Übereinkünfte vereinfachen uns das Leben
Meinen wir zu wissen.
Sie aber vereinfachen das Leben nicht nur
Sie erschweren es uns auch.
Bequem ist es schon
Nicht immer und überall eine eigene Meinung zu haben.
Diese allgemeine Meinung verbindet uns Menschen.
Zumindest,
Dies meinen wir zu wissen, weil schon oft erfahren,
Meinen wir zu wissen
Was bedeutet, verbindet uns Menschen?
Macht uns zu Mitmenschen
Zu gleich denkenden, handelnden und fühlenden Menschen.
Weil wir gelernt haben
Das Denken, das Handeln und das Fühlen.
Nicht unser Denken, unser Handeln und unser Fühlen.
Das lernen wir nicht.
Das müssen wir verlernen
Unseren Mitmenschen zu liebe
Und vielleicht
Uns selber auch, um ein Mitmensch zu sein.
Zu ihnen, den Mitmenschen zu gehören.

Irgendwie ist dies lächerlich
Unser Streben, zu den Menschen zu gehören.
Seit unserer Geburt, gehören wir ja dazu.
Wir kommen als Mensch zur Welt und gehören doch einfach dazu.
Und doch ist es wahr
Dass wir Menschen einschliessen und ausschliessen.
Den Mitmenschen einschliessen, er gehört dazu.
Und der Zwischenmensch
Schliessen die Mitmenschen den Zwischenmensch aus?
Gibt es Zwischenmenschen?
Oder gibt es nur Mitmenschen.
Gibt es etwa nur den Zwischenmensch und nicht die Zwischenmenschen.
Bewegt sich der Zwischenmensch nicht in einer Gruppe
Gehört er nicht zu einer Summe, die Wahrheit bestimmt.
Zu einer Summe, die sein Denken, sein Handeln und sein Fühlen bestimmt.
Muss der Zwischenmensch selber Denken, Handeln und Fühlen.
Muss er dies,
Darf er dies,
Will er dies,
Macht er dies.
Gehört der Zwischenmensch nicht zu der Gruppe der Zwischenmenschen?

Gebe es den Zwischenmensch nicht
Würde es die Mitmenschen nicht geben.
Gebe es warm nicht, würde es kalt nicht geben.
Gebe es Traurigkeit nicht, würde es die Fröhlichkeit nicht geben.
Können wir Menschen alles nur in der Abstraktion wahrnehmen?
Nein
Auch ohne den Vergleich zum Kalten, können wir das Warme wahrnehmen
Das Gefühl das wir empfinden bei Wärme -- das wir mit warm bezeichen; mit dem Wort, das wir gelernt haben.
Das Wort, das alle Menschen brauchen, um die Empfindung zu benennen.
Ist unser Empfinden, allgemeines Empfinden - Allgemeingut?
Wohl kaum.
Wir tun nur so
.
Wir tun so, weil wir anders nicht können.
Wir haben es nicht gelernt
Uns zu fragen, ob warm alle gleich empfinden.
Ob die Farbe rot, alle Menschen gleich sehen.
Wir haben nur gelernt, dass wir dieser Wahrnehmung, rot, oder eben warm sagen.
Wir können nicht sagen, wie wir rot oder warm wahrnehmen.
Wir wissen nicht, was wir benennen
Wir können nicht sagen, wie wir etwas wirklich sehen, hören, riechen oder fühlen
Wir benennen, wie dies alle tun,
Wie wir dies gelernt haben,

Wir wissen nicht, was die andern wahrnehmen.
Das können wir nicht wissen.
Wir können nur annehmen,
Jeder Mensch nimmt anders wahr.
Geeinigt haben wir uns nur in der Wörterwahl,
Die Wörter, die wir gelernt haben
Um zu benennen, was wir sehen, hören, riechen, denken und fühlen.

Wörter haben wir für das Wichtige
Für das, was der Allgemeinheit als Wichtig erscheint.
Das bestimmt unser Leben,
Unser Menschsein
Unser Mitmenschsein
Vielleicht nicht -- das Zwischenmenschsein.
Doch
Auch das Zwischenmenschsein bestimmt es.
Es bestimmt jeden denkenden Menschen
Die Wörter bestimmen unser Denken
Ohne Wörter kein Denken
Und Wörter haben wir nur für das Wichtige.
Vielleicht können wir deshalb nicht wissen
Nicht wissen, wie ein anderer Mensch die Farbe sieht
Nicht wissen, wie ein anderer Mensch sieht; was er sieht.
Nicht wissen über sein Fühlen, Hören, Riechen und Sehen.
Wir wissen nur das,
Wofür wir Worte haben.
Gelernte Worte.
Worte die benennen, was wichtig ist.
Was als allgemein wichtig gilt.

Unser Leben wäre anders.
Die Gesellschaft wäre anders.
Der Staat wäre anders.
Die Regierung wäre anders.
Alles wäre anders.
Unser Zusammenleben
Wir selber
Jeder Mensch
Die Mitmenschen
Und auch der Zwischenmensch.

Alles wäre anders
Würden die Menschen ihre Zeit damit verbringen,
Herauszufinden, zu erfahren
Wie wir etwas wirklich sehen, hören, riechen oder fühlen.
Wir müssten neue Wörter finden
Überhaupt -- Neues finden
Neues entdecken, um uns auszudrücken.
Dies müsste uns wichtig sein
Daran müssten wir interessiert sein
Es müsste uns interessieren
Uns mitzuteilen
Zu erfahren, was ein anderer Mensch ist,
Wie er sieht, hört, riecht und fühlt.
Sind wir Menschen nicht alle gleich?
Sind wir nicht alles Mitmenschen
Der Zwischenmensch?
Gibt es ihn überhaupt
Wer ist er
Was ist er -- Wie ist er.

Der Zwischenmensch

Der Zwischenmensch ist eine Reaktion auf den Mitmensch.
Sein Mitmenschseinmüssen hat ihn zum Zwischenmensch gemacht.
Er hat versucht Mitmensch zu sein.
Er war ein guter,
Ein sehr guter
Ein perfekter Mitmensch.
Ein tadelloser Mitmensch.
Wie kaum einem andern Menschen, ist ihm das Mitmenschsein gelungen.
Er war lernfähig
Sehr lernfähig
Er hat gelernt
Unglaublich gut gelernt
Gelernt, was es braucht, um ein Mitmensch zu sein.
Er hatte Wille
Starker Wille
Das Mitmenschsein zu lernen.

Er hat sich getötet
Und ist Mitmensch geworden
Er musste sich töten, um Mitmensch zu sein
Er konnte nicht leben und Mitmenschsein
Er stand dem Mitmensch im Weg
Er musste sich entscheiden
Er -- Oder der Mitmensch
Zusammen gab es kein Leben
Nicht für ihn
Und nicht für den Mitmensch.
Er hat sich getötet
Der Mitmensch, der lebt
Er hat den einfacheren Weg gewählt
Der Mitmensch, der wird ernährt
Der ist beliebt
Der ist umsorgt
Der wird gepflegt
Der Mitmensch findet immer einen Platz bei den Mitmenschen.
Mitmenschen gibt es viele
Mitmenschen gibt es überall.
Auf der ganzen Welt gibt es Mitmenschen
Mitmenschen, die sich um Mitmenschen kümmern

Mitmenschen kümmern sich um Mitmenschen
Mitmenschen kümmern sich um Mitmenschen kümmern sich um sich.
Sich um sich kümmern, heisst sich um Mitmenschen kümmern.
Wenn sich Mitmenschen um Mitmenschen kümmern, sterben Mitmenschen nicht aus.
Mitmenschen müssen sich um Mitmenschen kümmern.
Es gibt nur Mitmenschen, wenn sich Mitmenschen um Mitmenschen kümmern.
Mitmensch ist Mitmensch, bleibt Mitmensch, ist nur Mitmensch ist nicht Mensch, ist Mitmensch, kann nicht Mensch sein, muss Mitmenschsein und sich um Mitmensch kümmern, kann niemehr Mensch sein, muss Mitmensch bleiben, kann nicht Mensch werden, kann nur Zwischenmensch werden. Kann nicht Zwischenmensch werden wollen, kann nur Zwischenmensch werden. Kann nur Zwischenmensch werden, wenn er Mitmensch ist. Nur gute, sehr gute, tadellose Mitmenschen können Zwischenmensch werden, können nicht Zwischenmensch werden wollen. Zwischenmensch wird, wer Mensch nicht ganz getötet hat. Nicht ganz töten konnte. Zwischenmensch wird nur ein Mitmensch, ein Mitmenschmensch. Der Mitmensch, der sein Mensch getötet hat, gemeint hat, den Mensch getötet zu haben, der Mensch der nicht gestorben ist. Der Mensch der nur geschlafen hat, geschwiegen hat, gewartet hat -- auf bessere Zeiten.
Der Mitmenschmensch wird Zwischenmensch. Kann nicht Zwischenmensch werden, wird Zwischenmensch.

Hätte er sich nicht getötet
Er wäre nicht Mitmensch geworden
Hätte nicht Mitmensch werden können
Hätte Mensch sein müssen
Hätte Mensch bleiben müssen.

Menschen sind nicht beliebt
Menschen werden nicht ernährt
Werden nicht umsorgt und gepflegt.
Menschen finden keinen Platz
Mitmenschen mögen Menschen nicht.
Menschen kennen Menschen nicht.
Menschen sind allein.
Menschen haben Angst vor den Mitmenschen.

Menschen werden von den Mitmenschen verfolgt.
Menschen sind auf der Flucht.
Menschen kämpfen ums Leben
Mitmenschen überleben.
Mitmenschen überleben, wenn es keine Menschen hat, keine mehr gibt.
Mitmenschen können nicht mit Menschen zusammenleben
Menschen erinnern sie
Erinnern sie, an den Tod -- Dass sie getötet haben --
Sich selber getötet haben
Menschen erinnern sie an den Schmerz --
Erinnern sie an den Schmerz, den sie erlitten hatten --
Den sie erlitten hatten, als sie sich getötet haben.
Menschen erinnern Mitmenschen an den Schmerz, den sie erlitten hatten, als sie sich, den Mensch, getötet haben,
weil sie den einfacheren Weg gewählt haben, wofür sie den Todesschmerz erleiden mussten.
Der Todesschmerz, den sie vergessen wollen, den sie vergessen haben.
Nur der Mensch, der sie daran erinnert
Der sie den Todesschmerz nochmals erleiden lässt.
Der Mensch, den wollen sie nicht.
Die Mitmenschen wollen den Menschen nicht;
Wollen den Todesschmerz nicht noch einmal erleiden
Der Mensch, der muss sterben.

Es ist schwer als Mensch unter Mitmenschen zu leben.
Als Mensch musst du sterben.
Der Mitmensch der lebt immer weiter.
Schutz vor dem Tod, kann Mensch nur beim Mitmensch finden

Bis Mensch beim Mitmensch Schutz gefunden hat, darf der Mitmensch dies nicht wissen.
Er darf nicht merken, dass er seinen Mensch nicht getötet; nicht ganz töten konnte.
Es ist eine Frage der Zeit
Wann der Mitmensch seinen Mensch respektieren wird.
Wann er ihn akzeptieren muss,
Weil er ihn nicht töten konnte
Nicht ganz getötet hat.
Er wird ihn annehmen.
Er wird sich mit ihm versöhnen
Auch dies
Nur eine Frage der Zeit

Es ist eine Frage der Zeit
Wann ein Mitmensch seinen Mensch akzeptiert
Sich mit ihm versöhnt,
Und ihn lieben lernt

Es ist nur eine Frage der Zeit
Wann der Mitmensch zum Zwischenmensch wird.
Und
Ob er seinen Mensch ganz getötet hat
Gamz töten konnte
Und vielleicht
Ob dem Mitmensch ein Mensch begegnet
Ein Mensch der ihn den Todesschmerz noch einmal erleben lässt.
Der Mensch, der deshalb für den Mitmensch eine Bedrohung ist.
Der Mensch ist für den Mitmensch auch eine Chance
Durch ihn kann er sich mit seinem Mensch versöhnen
Damit sich Mitmensch und Mensch verstehen.

 

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